Von unserer [break deportation]-AG
Rassismus hat viele Gesichter und PEGIDA oder Björn Höcke sind zugegeben besonders einprägsame Fratzen. Aber auch der soziale Ausschluss und die staatliche Kriminalisierung von Geflüchteten sind ein Teil des rassistischen Normalzustandes in Deutschland. Und obwohl die Asylrechtsverschärfungen der letzten Monate eigentlich alarmierend sein sollten, wird dies derzeit viel zu wenig von unserer Seite thematisiert.
Die Feuerwehr ist nicht genug
Auch die Abschiebemaschinerie läuft derzeitig in Thüringen brutal weiter, weshalb selbstorganisierte Gruppen von Geflüchteten wie The Voice schon länger von einer „Deportationskultur“ sprechen, statt eine imaginierte deutsche „Willkommenskultur“ zu feiern. Von Abschiebungen bekommen wir jedoch wenig mit und zu den Lagern und Unterkünften, in denen Geflüchtete in und rund um Jena eingepfercht leben, fahren wir so gut wie nie. Wenn doch, dann nur in Reaktion auf Angriffe von Nazis und Rassist_innen.
So wie erst dieses Wochenende nach dem Nazi-Übergriff beim Container-Lager an der Griesbrücke. Unser spontanes Zusammenkommen mit den betroffenen Geflüchteten und den Bewohner_innen der Unterkunft war ein wichtiges Zeichen der Solidarität und auch die anschließende antifaschistische Sponti zu verschiedenen Tat- bzw. Rückzugsorten von Nazis, Burschis und AFD war die richtige Konsequenz. Aber ein solches Reagieren ist und bleibt nicht genug. Antifaschistische Feuerwehrpolitik muss mit antirassistischer Basisarbeit viel mehr Hand in Hand gehen.
Langfristige gemeinsame Organisierung
Als Teil des „Break Deportation Netzwerks“ versuchen wir deshalb seit einigen Monaten gemeinsam mit selbstorganiserten Geflüchteten und Aktivist_innen aus verschiedenen Städten in Thüringen eine Struktur mit langfristiger politischer Perspektive aufzubauen. Wir wollen kontinuierlichen Kontakt in Jenaer Unterkünfte aufbauen und dabei die politische Selbstorganisation von Geflüchteten unterstützen. Die Idee ist, dass wir weder Naziangriffe, noch Abschiebungen in Zukunft verhindern können, wenn wir keine Beziehungen aufbauen zu den Menschen, die in den Lagern leben müssen.
Anti-Abschiebe-Kämpfe finden jedoch derzeitig unter erschwerten Bedingungen statt. Seit dem Winter werden die Deportationen nicht mehr angekündigt, sondern unangekündigt im Morgengrauen durchgezogen – oft, ohne dass es in den Lagern überhaupt jemand mitbekommt.
Außerdem spitzt sich die rechtliche Situation immer weiter zu. Am kommenden Freitag soll im Bundestag darüber abgestimmt werden, ob die Liste der sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ auf die Maghreb-Staaten ausgeweitet werden soll. Nachdem im letzten Jahr bereits die Westbalkan-Staaten (Albanien, Mazedonien, Kosovo etc.) als „sicher“ eingestuft wurden, haben Menschen aus diesen Ländern so gut wie keine Bleibeperspektive und leben in permanenter Angst vor der Abschiebung. Einige Familien aus dem Balkan, die derzeitig (noch) in Jenaer Unterkünften leben, haben die Angst, die Frustration und das absolute Unverständnis gegenüber der Unmenschlichkeit des deutschen Staates in ihrem gemeinsamen Statement kürzlich deutlich gemacht: „Ihr versteht nicht, dass wir nicht zurück können!“.
„Weil meine Freiheit mit deiner verbunden ist“
Mehr Kontake aufzubauen zu den auch in Jena in Containern und Sammelunterkünften lebenden Geflüchteten, könnte die Grundlage sein für eine zukünftige gemeinsame Organisierung auf Augenhöhe. Öfter in die Lager zu fahren, wäre ein Schritt nach vorne, vielleicht weniger spektakulär als die nächste große Antifa-Demo, aber dennoch politisch bereichernd, notwendig und vielleicht langfristig früchtetragend. Lasst uns nicht warten, bis die Brandsätze fliegen oder Menschen von der Polizei abgeholt werden, sondern jetzt und in einer regelmäßigen Praxis damit anfangen, Beziehungen zu den Menschen aufzubauen, die vom Rassismus in Deutschland am meisten betroffen sind. Und vergessen wir dabei nicht, was gemeinsame Kämpfe im Sinne einer politischen Solidarität mit Geflüchteten auch für uns bedeuten können:
„Wenn du gekommen bist, um mir zu helfen, dann verschwendest du deine Zeit. Wenn du aber gekommen bist, weil deine Freiheit mit meiner verbunden ist, dann lass uns zusammen arbeiten.“ (Lilla Watson, Australische Murri-Aktivistin)
Das nächstes Treffen vom „Break Deportation Netzwerk“ findet am Samstag, dem 25. Juni um 15Uhr in Erfurt statt. Bei Interesse meldet euch bei uns! Außerdem wird es diese Woche bei unserem 11. Solitresen im „Freiraum“ eine kurze Infoveranstaltung zu dem Projekt geben, da die Einnahmen dieses Mal dorthin fließen.